Rezension: Diversity-Management als Dimension kirchlicher Personalentwicklung

Marius Stelzer: Diversity-Management als Dimension kirchlicher Personalentwicklung (Angewandte Pastoralforschung, Bd. 7): Evaluation der Seelsorge-Ausbildung am Beispiel des Bistums Münster, Würzburg 2019

Die zurzeit nahezu in allen deutschen (Erz-)Bistümern laufenden bzw. anstehenden Kirchenentwicklungs- und Strukturveränderungsprozesse verändern die pastorale Landschaft grundsätzlich. Dies hat nicht zuletzt auch massive Auswirkungen auf die Berufsrollen des seelsorglich– kirchlichen Personals. An das hauptberufliche Personal werden neue Kompetenzerfordernisse herangetragen. Dies macht organisationales Lernen notwendig.

Vor diesem Hintergrund initiierte die Hauptabteilung Seelsorge-Personal, das Priesterseminar Collegium Borromaeum und das Institut für Diakone und pastorale Dienste der Diözese Münster mit dem Zentrum für angewandte pastorale Forschung (Z AP) der Ruhr-Universität Bochum eine Evaluation der Ausbildung von Seelsorgerinnen und Seelsorger. Das Ergebnis dieser Evaluation wurde nun mit dem von Marius Stelzer verfassten Sammelband „Diversity-Management als Dimension kirchlicher Personalentwicklung“ einem breiten Leserkreis zugänglich gemacht. Der Sammelband fasst zentrale Erkenntnisse des über drei Jahre andauernden Forschungsprojektes in sieben Studienberichten zusammen.

Im Rahmen des Forschungsprojektes wurde dazu u.a. mit knapp zwanzig jungen Frauen und Männern Interviews geführt, die während der Ausbildung zu unterschiedlichen Zeitpunkten die Ausbildung abgebrochen haben. Die Erkenntnisse aus diesen Interviews sind in die Reflexionen der acht in diesem Sammelband veröffentlichten Studienberichte eingeflossen.

Dem ersten Studienbericht kommt eine besondere Rolle zu. Als \“Pilot Beitrag\“ erschließt er das sozialwissenschaftliche und pastoraltheologische Forschungsanliegen und entwickelt hier eine Leitidee von Kirche, die den Hintergrund für die Reflexionen der weiteren Studienberichte bilden.

In knapper Form benennt Stelzer zunächst aktuelle pastorale Herausforderungen: Milieuverengung der in den (Kirchturm-) Gemeinden Engagierten, Festhalten an einem Volkskirchlich geprägten Verständnis von Gemeinde, Modernisierungsstress der hauptberuflich Mitarbeitenden, Beharrungstendenzen am Status-quo in den Gemeinden aber auch Leitungsebenen der Diözesen.

Daran anschließend entwickelt er auf Grundlage des pastoraltheologisch-diakonischen Ansatzes des Zweiten Vatikanischen Konzils (LG 1) „eine Leitidee von Kirche, die die starken Grenzziehungen zwischen dem ‚Innen und Außen‘ der volkskirchlichen Grundstruktur aufhebt“. (S. 15) Kennzeichen einer solchen (zeitgenössischen) Kirche sei „Ekklesio-Diversity“. Darunter versteht Stelzer eine Kirche in der gleichberechtigte, nachbarschaftliche Orte und Gelegenheiten unter dem klaren Vorzeichen radikaler Diakonie ihre Berechtigung haben. Damit ein solches Leitbild vor Ort oder auf Bistumsebene wirksam werden kann, sei es nötig, „neben dem gemeindlichen Leben an den Kirchtürmen, vor Ort weitere Orte und Gelegenheiten zu fördern, zu entdecken oder zu gründen, an denen Menschen Leben und Glauben des Heilswillens teilen.“ (S.18)

Eine solche Leitidee von Kirche, die nicht mehr vom Grundgedanken der Rekrutierung geprägt ist, würde einen Paradigmenwechsel in der Seelsorge in Gang setzen, der auch Konsequenzen für die Personalentwicklung habe. Es bräuchte demzufolge „nicht mehr Generalisten in der Seelsorgerschafft, die allen alles werden, sondern hier wird Ausbildung modifizierter und modularisierter angelegt sein müssen, um professionalisierte und spezialisierte Seelsorgende gezielt in Einsatzfeldern (Orte und Gelegenheiten) einsetzen zu können.“ (S. 18)

An diese Leitidee einer Ekklesio-Diversity knüpfen die weiteren Beiträge des Sammelbandes an und untersuchen jeweils einzelne Themenfelder der Personalentwicklung, die im Hinblick auf Seelsorge-Personal im kirchlichen Kontext eine hohe Relevanz haben.

Folgende Themen werden dabei in den Blick genommen: Rolle, Amt und Lebensstil heutiger Seelsorgenden (Studienbericht 2), Lebensstile und Wertvorstellung im relevanten Feld kirchlicher Personalgewinnung (Studienbericht 3), Persönlichkeitsentwicklung und (Homo-) Sexualität (Studienbericht 4), Dynamik von Stadt und Land in der Seelsorge und ihre Bedeutung für das Seelsorge-Personal (Studienbericht 5), eine pastoraltheologische/soziologische Relektüre der Seelsorgestudie von 2012 bis 2014 (Studienbericht 6), Zusammenhang von Kirchenkulturen und (Haus-)Kultur in den Ausbildungen (Studienbericht 7), Überlegungen und Vorschläge zur Strukturierung pastoraler Ausbildungsprozesse (Studienbericht 8).

Die zwei Kapitel des Anhangs sind dem wissenschaftlichen Anspruch der Arbeit geschuldet. Hier werden zum einen Methoden vorgestellt und beschrieben, die Grundlage des sozialwissenschaftlichen Forschungsdesigns der Evaluation bildeten. Zum andern wird eine „Lebensführungstypologie“ als Instrument zur Analyse sozialer Strukturen und Ungleichheiten mit Lebensstilen vorgestellt, auf das sich zahlreiche andere Milieu- und Lebensstilmodelle projizieren lassen. Auf dieses Modell setzen viele der einzelnen Beiträge auf.

Stelzer leistet mit seinem Sammelband wichtige Grundlagenforschung, die insbesondere für Personalverantwortliche in den Diözesen wichtige Hinweise und Impulse für eine nachhaltige Personalentwicklung bieten. Es finden sich Hinweise für das Recruiting sowie die Gestaltung der Aus- und Weiterbildung von Seelsorgenden.

Die Relevanz von Diversity-Mangements als Bestandteil einer nachhaltigen Personalentwicklung wird sichtbar. Diözesen, die einen kirchlichen Kulturwandel im Sinne eine Ekklesio-Diversity anstreben, werden dem Diversity-Management im Hinblick auf das Personal besondere Aufmerksamkeit schenken müssen.

Grundlagen eines weiteren Nachdenkens im Hinblick auf die Aus- und Weiterbildung pastoraler Dienste könnten auch die Überlegungen sein, die Stelzer im Studienbericht 8 entfaltet. Hier entwickelt er einen Pastoralen Qualifikationsrahmen mit dessen Hilfe Aus- und Weiterbildung inforen strukturiert und pointiert werden könnten, \“in dem die Anforderungen der Struktur und der Aufgaben zeitgenössischen Kirche-seins, zeitgenössischer Glaubensvermittlung, Sinn – und Lebensdeutung, Kult- und Kulturarbeit sowie Lebenshilfe bzw. caritative Arbeit als Ausgangspunkte für Kompetenzvermittlungs- und -aneignungsprozessen stehen.\“ (S. 211) Ursprünglich entwickelt für das Bistum Münster bietet dieser Pastorale Qualifikationsrahmen auch für andere Diözesen ein hohes Potenzial.

Ob das Buch von den Lesenden als hilfreich oder inspirierend angesehen wird, wird stark davon abhängen, ob die dem Buch zugrunde liegenden Leitidee einer Kirche der vielfältigen Orte und Gelegenheiten, wo Menschen Leben und Glauben teilen, von den Lesenden geteilt wird. Wer der Idee eines zeitgenössischen Kirche-seins folgt, findet hier anregende Reflexionen und wertvolle Impulse.

(Erschienen in Pastoralblatt)